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ESP Rothenburg: Blick in die Werkstatt

Die Entwicklung eines Gebietes wie des ESP Rothenburg erfordert die gesamtheitliche Perspektive und den Einbezug verschiedener Akteure. Ein Gespräch mit Städtebauer Han van de Wetering und Gesamtprojektleiter Raymond Studer.

Aus Neugier: Was ist ein Atelier für Städtebau? 

Han van de Wetering: Wir entwickeln integrale städtebauliche Konzepte und Entwürfe, besonders an Orten mit beschränktem Raum, vielfältigen Nutzungsansprüchen und komplexen Voraussetzungen. Es gibt die Raumplanung, die sich eher um rechtliche Dinge kümmert, etwa den Zonenplan. Dann gibt es die Architekten, die Objekte entwerfen. Wir Städtebauer sind dazwischen – wir entwickeln für grössere Gebiete Entwürfe, Ideen und Lösungen. Wir verbinden Gebäude, Verkehr, Freiraum, Stadt, Klima und weitere Themen zu einer gesamtheitlichen Sicht. 

Ist der ESP Rothenburg so ein komplexer Ort? Welche Ausgangslage haben Sie vorgefunden? 

Van de Wetering: In Rothenburg ist die Abstimmung zwischen Verkehr und Siedlungsentwicklung das dominierende Thema. Mit dem Bahnhof und dem Autobahnanschluss hat man eine hohe Erschliessungsqualität, auf die man aufbauen kann. Die Kapazitäten für den Autoverkehr sind aber fast erschöpft. Das Strassennetz auszubauen, ist schwierig und ein langer Prozess – auch wegen der Bundesstrasse. Es bringt auch nichts, lokal die Kapazitäten zu vergrössern, sondern es braucht eine übergeordnete regionale Perspektive und eine integrale Verkehrs- und Städtebaulösung.  

Speziell am ESP Rothenburg ist auch, dass er eine Art Satellit ist und etwas ausserhalb der Wohnquartiere liegt. Gleichzeitig ist er sehr gross, etwa 3,5 Kilometer von Nord nach Süd. Hier etwas zu planen, ist anders als zum Beispiel im dicht bebauten und kleinparzellierten LuzernSüd. Wir haben die Chance, diesen Raum neu zu denken.  

Warum ist die Entwicklung dieses Gebiets so wichtig? 

Raymond Studer: Das Gebiet ist im kantonalen Richtplan als Entwicklungsschwerpunkt festgelegt. Es besteht also ein «vorrangiges wirtschaftliches Interesse», die Entwicklung dieses Standorts aktiv zu fördern. Es geht um ein qualitatives Wachstum, Arbeitsplätze, Wirtschaftsförderung, Standortqualität. Verkehr und Siedlungsentwicklung aufeinander abzustimmen, daran haben verschiedene Staatsebenen ein Interesse: die Standortgemeinden Rothenburg und Emmen, die Region, der Kanton, der Bund. 

«In Rothenburg ist die Abstimmung zwischen Verkehr und Siedlungsentwicklung das dominierende Thema», sagt Städtebauer Han van de Wetering.

Wie bringt man unterschiedliche Interessen und Akteure in der Entwicklung eines Gebiets in Einklang? 

Studer: Durch Zusammenarbeit und Beteiligung. Die Projektpartner haben beschlossen, dass sie gemeinsam Lösungen erarbeiten und relevante Stakeholder in den Prozess einbeziehen wollen. In einem Vorprozess wurde ein übergeordnetes Zielbild erarbeitet und eine Projektvereinbarung zwischen den Gemeinden Rothenburg, Emmen, dem Bundesamt für Strassen, dem Kanton, der Wirtschaftsförderung Luzern sowie LuzernPlus unterzeichnet. Aktuell wird ein Gesamtkonzept zu den Themen Verkehr und Siedlung erarbeitet. In mehreren Workshops werden lokale Behörden, ansässige Unternehmen, Grundeigentümer und weitere Anspruchsgruppen am Prozess beteiligt. Das Zielbild wird auf der Massnahmenebene weiterentwickelt. 

Wie kommt so ein Zielbild zustande?  

Van de Wetering: Es darf nicht zu abstrakt sein, damit man sich etwas vorstellen kann. Aber auch noch nicht zu konkret, damit es sich in verschiedene Richtungen entwickeln kann. Ich habe zunächst von Hand ein Zielbild skizziert, aus dem wir in internen Workshops mit den Projektpartnern verschiedene Varianten und Lösungsansätze entwickelt haben. Wir haben schnell gemerkt, dass wir teils sehr ambitiöse Ideen haben. Aber weil der ESP Rothenburg aus wirtschaftlicher Sicht so wichtig ist, dürfen wir ruhig grosse Ambitionen haben, statt nur an kleinen Stellen und Ecken zu optimieren. Die Projektpartner wollen also wirklich etwas verändern und verbessern in diesem Gebiet. 

Wie stellt man sicher, dass ein Konzept tatsächlich umgesetzt wird und nicht in der Schublade landet? 

Van de Wetering: Erstens muss ein Konzept wirklich gut sein. Es muss spezifisch die Probleme eines Ortes lösen und glaubhaft funktionieren können. Zweitens muss es von allen Stakeholdern akzeptiert und angenommen werden. Ein guter Mitwirkungsprozess verbessert die Qualität der Lösung und erhöht ihre Erfolgschance.  

Studer: Dem stimme ich zu. Aus Projektleitungssicht ist es besonders wichtig, dass die unterste Staatsebene, also die Gemeinden, miteinbezogen sind. Rothenburg und Emmen sind zentrale Player und wir brauchen den politischen Rückhalt der Exekutive wie auch den Gestaltungswillen der ortsansässigen Player. Solche Prozesse sind nicht kurzfristig ausgelegt, sondern mittel- bis langfristige Entwicklungen eines solchen Raumes. Gerade als Gemeindepolitiker soll man den Mut haben, auch in solchen Perspektiven zu denken. Bei unserem Projekt ist das nach meiner Einschätzung der Fall.

Han van de Wetering ist Geschäftsführer und Partner der Van de Wetering Atelier für Städtebau GmbH in Zürich. Er ist für die fachliche Prozessführung am ESP Rothenburg verantwortlich. 

Raymond Studer ist Co-Geschäftsführer und Partner von diePROJEKTFABRIK AG in Luzern. Der ehemalige Gebietsmanager von LuzernSüd ist Gesamtprojektleiter des Projekts «Gesamtkonzept Siedlung und Verkehr» im ESP Rothenburg.